From: Dogan Goecmen (Dogangoecmen@AOL.COM)
Date: Thu Dec 21 2006 - 07:07:10 EST
Folgerungen aus dem Bericht der Irak-Studiengruppe: FÜR DAS ENDE DER BESATZUNG MOBIL MACHEN Von John Catalinotto* Nach Monaten der Konsultationen und vorbereitenden Arbeiten veröffentlichte die Irak-Studiengruppe (ISG) am 6. Dezember einen Bericht, der das Eingeständnis enthält, dass der Versuch der Übernahme des Irak restlos gescheitert ist. Die ISG empfiehlt den Aufbau irakischer Truppen, d.h. die „Irakisierung“ des Krieges über einen längeren Zeitraum, sowie Verhandlungen mit den Nachbarstaaten und Widerstandsgruppen im Irak. Die Bush-Regierung und ihre Verbündeten in den rechtsgerichteten Medien wie Wall Street Journal und New York Post verurteilten die Studie schnell als „Kapitulation“. Bush, der den Staatsapparat für die nächsten 25 Monate weiterhin kontrolliert, gelobte fortgesetzte Kraftanstrengungen bis zum „Sieg“ im Irak. Kriegskritische Stimmen unterschiedlicher politischer Tendenz in den Vereinigten Staaten verurteilten die ISG-Vorschläge, weil sie kein schnelles Ende der Besatzung aufzeigen. Stattdessen proklamierten Kriegsgegner eine breite Mobilisierung für ein Ende der US-Besatzung im Irak und hörten nicht auf, das verbrecherische Bush-Regime anzugreifen. Die vom Kongress am 15 März eingesetzte ISG besteht aus fünf Demokraten und fünf Republikanern. Die meisten sind entweder ehemalige Kongressmitglieder oder ehemalige Regierungsangehörige. Alle genießen in Washington den Ruf, loyale Sachwalter der strategischen und ökonomischen Interessen des US-Imperialismus zu sein. James Baker, ein enger Berater des ehemaligen Präsidenten George H. W. Bush sowie sein Außenminister in den Jahren 1989 bis 1992, gilt als die Schlüsselfigur der ISG. Baker teilt sich den Vorsitz der ISG mit Lee Hamilton, einem führenden demokratischen Politiker. Obgleich entschiedene Gegner des taktischen Vorgehens der Bush-Regime, stimmen sie mit ihm in dem strategischen Ziel überein, die Vorherrschaft Washingtons und der Wall Street über den Mittleren Osten und die Welt zu errichten. Ein Artikel der Washington Post vom 26. November beschreibt die ISG als „ein außerhalb der Regierung stehendes Panel, das versucht, die Vereinigten Staaten aus einem sich hinziehenden, verworrenen Krieg herauszulösen.“ Dazu konsultierte die Gruppe zunächst 150 hochrangige zivile und militärische Regierungsvertreter, darunter etwa ein Dutzend aus dem Irak. Dann berieten sie in zahlreichen Arbeitsgruppen über ihren Bericht und seine 79 Empfehlungen. Einsicht in die Niederlage Die Motivation für die Einsetzung der Gruppe, der eigentliche Antrieb, war die Einsicht immer weiterer Kreise des politischen, militärischen und ökonomischen Establishment der USA, dass die Invasion und Besetzung des Irak zu einem Desaster geraten ist, nicht nur für die Iraker sondern auch für Washington. Durch den Bericht ziehen sich Sätze wie „die Lage im Irak ist ernst und verschlechtert sich“, „die Lage in Bagdad und einigen Provinzen ist entsetzlich“, „das weltweite Ansehen der Vereinigten Staaten könnte beeinträchtigt werden.“ Obgleich diese Formulierungen die Tatsache reflektieren, dass es für die USA unmöglich ist, in Bagdad ein willfähriges und stabiles Regime zu etablieren, sind die Empfehlungen der Gruppe von zögerlicher Art, eigentliche Halbheiten. Der Bericht hat durchgängig den Ton eines Kompromissdokuments. Auf militärischem Gebiet schlägt die ISG vor, die Kampftruppen - etwa ein Viertel der US-Truppenstärke insgesamt - schrittweise zurückzuziehen, und zwar bis Anfang 2008, „sofern die Bedingungen vor Ort dies gestatten“, diese Truppen durch „Berater“ zu ersetzen und der Ausbildung irakischer Truppen verstärkt Aufmerksamkeit zu widmen. Mit anderen Worten besagt der Vorschlag: Irakisierung eines Krieges, der sich noch über einen langen Zeitraum hinziehen könnte. Die ISG ist nicht auf die Frage eingegangen, was mit den über 100.000 „Kontraktoren“ geschehen soll, d.h. Söldnern, die im Irak für das US-Militär und Firmeninteressen tätig sind. Auf diplomatischem Gebiet empfiehlt die ISG, verstärkte Bemühungen, die Nachbarstaaten des Irak in die Herbeiführung einer Lösung einzubeziehen und insbesondere mit Syrien und dem Iran zu verhandeln. Innerhalb des Irak empfiehlt die ISG, dass die USA mit allen Parteien verhandeln, ausgenommen al-Qaida. Das heißt: Verhandlungen sowohl mit Vertretern der Baath-Partei als auch mit Moqtada al-Sadr, dem politischen Führer der in der schiitische Bevölkerung verankerten Mahdi-Armee. Auf wirtschaftlichem Gebiet wird empfohlen, dem Irak mehr Hilfe zu gewähren. Aber die ISG es nicht lassen können zu empfehlen, dass alle Subventionen für die Versorgung der Bevölkerung mit Energie aus dem eigenen Land abgeschafft und die Öl-Reserven privatisiert werden. (Empfehlung 62) Dies ruft in Erinnerung, worum es den USA im Krieg zur Übernahme des Irak eigentlich ging. Bei all dem Gerede über eine „Demokratisierung“ des Irak, war das wirkliche Ziel des Bush-Regimes und der Herrschenden in den USA, die außerordentlich ergiebigen und leicht zugänglichen Öl-Reserven zu ergattern und permanente Militärbasen in dieser strategisch wichtigen Region zu errichten. „Massenvernichtungswaffen“, „Verfolgung der al-Qaida“, „Einführung der Demokratie“ waren nur Lügen, die verbreitet wurden, um für diesen Krieg Unterstützung zu finden. Dies werden weder Bush noch die ISG zugeben. „Überstürzter“ Rückzug abgelehnt Die ISG verwarf den Gedanken der Zerteilung des Irak in drei separate Staaten in den jeweils überwiegend kurdischen, sunnitisch-arabischen und schiitisch-arabischen Gebieten, und zwar mit dem Argument, dass dies nur noch mehr Verwüstung über das Land bringen würde. Ein solcher Plan wird von dem demokratischen Senator Joe Biden vertreten. Ferner lehnte die ISG irgendwelche drastischen und plötzlichen Veränderung der Politik der USA ab. Militärisch bedeutet dies: kein „überstürzter Rückzug“ der US-Truppen. „Überstürzt“ heißt hier im Laufe der nächsten sechs Monate, ein Vorschlag, der schon vor einiger Zeit von dem demokratischen Kongressabgeordneten John Murtha gemacht worden war. Es ist eine Schwäche des US-Imperiums, dass es in seinem Zentrum keine Führungsfigur des politischen oder militärischen Establishments gibt, die über genug Unterstützung und Autorität verfügt, um die Niederlage im Irak eindeutig anzuerkennen und einen Rückzug zu bewerkstelligen. In einem nicht ganz analogen Fall, als der französische Imperialismus in den späten 50er Jahren mit dem Versuch scheiterte, Algerien zu bezwingen, war General Charles de Gaulle, durch und durch Staatsmann des französischen Imperialismus, in der Lage, die herrschende Klasse in Frankreich zu zwingen, diese Niederlage anzuerkennen. In den USA verfügt keine politische Figur über ein ähnliches Prestige. Bush weigert sich, die Niederlage anzuerkennen. Stattdessen hält er nach Vorschlägen für ein anderes taktisches Vorgehen Ausschau, und zwar von Seiten zweier weiterer Studiengruppen, einer beim Außenministerium und einer anderen beim Nationalen Sicherheitsrat. Höchstwahrscheinlich führt dies entweder über Jahre hinweg zu einem langen, langsamen Blutvergießen im Irak oder zu irgendeiner dramatischen und gefährlichen Eskalation, die auf eine Änderung des Charakters des Krieges abzielt. So ging Präsident Nixon 1969, indem er die US-Truppen in Vietnam reduzierte, dazu über, die Bombenangriffe auf Laos, Kambodscha und Nord Vietnam zu intensivieren. Ein möglicher Nebeneffekt von Donald Rumsfelds Ausscheiden aus dem Verteidigungsministerium ist, dass damit ein wichtiges Hindernis für Truppenverstärkungen im Irak entfällt, denn Rumsfeld verteidigte entschieden sein Konzept eines stromlinienförmigen Militärs, das nicht von einer Massenintervention von Bodentruppen abhängig ist. Kriegsgegner sagen: „Macht mobil“ Die Gegner der Besatzung - vom Bündnis der anti-imperialistischen Linken „Troups Out Now Coalition (TONC)“ bis zu dem Kolumnisten Tom Hayden und Kommentatoren der Mitte wie Bob Herbert in der New York Times - stimmen darin überein, dass die Empfehlungen der ISG unzureichend sind, und dass ein zügiger Rückzug erforderlich ist. Die Gruppierungen der US-Friedensbewegung TONC, ANSWER Coalition und United for Peace and Justice haben zu Massenmobilisierungen aufgerufen, um den Kampf für einen sofortigen Rückzug der US-Truppen aus dem Irak fortzusetzen. Unter anderem fordern sie, dass der Kongress aufhört, Haushaltsmittel für den Krieg zur Verfügung zu stellen. TONC hat mit besonderer Schärfe das Doppelspiel der Demokratischen Partei seit den Halbzeitwahlen verurteilt und in einer Erklärung klargestellt: „Wir müssen diesen Krieg stoppen: Kein einziger Dollar mehr, kein weiteres Todesopfer, nicht einen Tag länger. Keine Fahrpläne, keine weiteren Kommissionen, kein Warten auf die nächste Wahl. Wir müssen so zahlreich wie nie auf die Straße gehen und sie zwingen, die Truppen jetzt nach Hause zu holen.“ TONC hat für den 17. März, den vierten Jahrestag der Invasion im Irak, zu einer Massendemonstration aufgerufen. In einem die Richtung anzeigenden Artikel der New York Times vom 10. Dezember gibt es einen Satz, welcher der Anti-Kriegsbewegung eine alarmierende Botschaft signalisiert: „Die Neigung der Regierung, so viele der wichtigsten Ergebnisse der überparteilichen Gruppe außer Acht zu lassen, eröffnet die Bühne für eine Szene, die zu einem titanischen Ringen um die Irak-Politik werden könnte.“ So lange wie die Besatzung andauert, werden die Iraker, die Truppen und die Menschen der armen und werktätigen Schichten hier in den Vereinigten Staaten darunter leiden. Das Versagen der ISG bei dem Versuch, den „titanischen“ Kampf innerhalb der herrschenden Klasse zu entscheiden, erfordert und bietet die Gelegenheit, eine Massenintervention zu entfalten, die von den Parteien, Demokraten wie Republikanern, unabhängig ist, und Maßnahmen zu ergreifen, welche darüber hinausgehen, Ablehnung zum Ausdruck zu bringen, um endlich ein Ende des Krieges und der Besatzung herbeizuführen. Übersetzung aus dem Englischen: Klaus von Raussendorff * John Catalinotto ist geschäftsführender Herausgeber von Workers World newspaper (www.workers.org), beratendes Mitglied des BRussell's Tribunals (www.brussellstribunal.org/) sowie Mitarbeiter der Redaktion des portugiesischen Magazins O Diario (www.odiario.info) Kontakt: jcat@workers.org; I
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