Re: [OPE-L] Keynes and Marx (German)

From: Paul Cockshott (wpc@DCS.GLA.AC.UK)
Date: Sun Dec 31 2006 - 05:16:33 EST


I would say that Keynes theory is much less formal and more realistic than that of neo-classical political economy because it does not attempt to pretend that capitalism is a perfectly regulating and self balancing system.

As such it admits the possibility of political intervention being necessary in order for the economy to be regulated.

 

You are obviously quite right about his class position as part of the liberal bourgeoisie, but he represents the interest of real productive capital against finance capital and his essays in persuasion in the 20s and 30s were an extended polemic against the policies imposed by finance capital. As such they laid the grounds for a class alliance between industrial capital and the labour movement against finance capital which came into effect during the war and persisted during the 50s.  Relative to what had gone before this was a progressive step and there is nothing to be gained by denying this, but it was obviously not a socialist economic program.

 

In the context in Germany today, as I understand it from talking to Helmut Dunkhase, who I think you know, there is a considerable dominance of left Keynesian thinking in the Links Partei, so I understand your attempt to polemicise against Keynes. In the current crisis of the German economy it is my intuition that there are considerable monetary influences so that a truly radical Keynesian polemic might touch on certain real causes of the recession. For instance, the role of the European Stability Pact and the European Central Bank policy are probably aggravating the recession. 

 

At the same time any move to a socialist economy based on labour value would involve a radical change in the monetary system. The challenge for us as Marxist economists is to tie in the conjunctural crisis with a set of policy measures which when put into practice would both work, and provide a transition path towards socialism that was more radical than the transition path to state capitalism that was provided in the UK by Keynes in the 1940s.

 

Why not read again Lenin's the Impending Catastrophe and How to Combat It, and see if you can come up with transitional measures that would work in the German context. You will not make headway against Gysi an theorists like Steignitz unless you can propose alternative measures.

 

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From: OPE-L [mailto:OPE-L@SUS.CSUCHICO.EDU] On Behalf Of Dogan Goecmen
Sent: 30 December 2006 21:51
To: OPE-L@SUS.CSUCHICO.EDU
Subject: Re: [OPE-L] Keynes and Marx (German)

 

Paul, thank you for your comments. Well, that is what I am saying. Keynes wants to criticise classical political economy. But he does not do that because he does not really engage with classics. In the article I suggest that Keynes' economic theory is as formal as all other vulgar economic theories. Classical politial economy, by contrast, is material theory of political economy.

 

Dogan

 

In einer eMail vom 30.12.2006 22:36:19 Westeuropäische Normalzeit schreibt wpc@DCS.GLA.AC.UK:

        This analysis rests at the level of intentionality - what was Keynes intention, it does not get to the internal structure of Keynes theory and identify where it is different from neoclassical or classical political economy. I agree that Keynes was very sloppy in his treatment of the classicals, but I suspect that he understood them through Marshall rather than on their own account.

         

         

	
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        From: OPE-L [mailto:OPE-L@SUS.CSUCHICO.EDU] On Behalf Of Dogan Goecmen
        Sent: 29 December 2006 15:33
        To: OPE-L@SUS.CSUCHICO.EDU
        Subject: [OPE-L] Keynes and Marx (German)

         

        A short paper of mine on the relationship of Keynes and Marx.

         

        Cheers

         

        Dogan

         

        Dogan Göcmen

         

        Keynes und Marx

        Das Wesen und Verhältnis zweier Theorien

         

         

         

        Der Marxismus ist mit Abstand die einzige Theorie in der Ideengesichte, die seit ihrer Geburtsstunde zum Gegenstand der schmutzigsten Behandlungen wurde. Was hat da Marx aus der Taufe gehoben, dass selbst seine Erzfeinde es nicht mehr lassen können? 

         

        Es ist wohl eine Ironie der Geschichte, dass seine Theorie ausgerechnet in seinem Land der Denker und Dichter, totgeschwiegen wurde, so dass Marx, seine treue Lebensgefährtin und Engels selbst zu Feder greifen und Briefe an alle Bekannten, Freunde und an die Redaktionen der Gazetten schreiben mussten: Der lang ersehnte erste Band des "Kapital" ist endlich erschienen.

         

        Als die Theorie sich ihre eigenen Kanäle schuf und eine gesellschaftlich materielle Kraft wurde, da half das Totschweigen nicht mehr. Dieses Mal griffen die Gegner zur Feder, um die Theorie, die seit etwa 1890er Jahren nach Engels' Prägung des Begriffs "Marxismus" genannt wird, frontal anzugreifen, gerade als der Geburthelfer der Theorie sich nicht mehr selber wehren konnte. Als das auch nicht mehr half, musste man ihre Gegentheorien entgegenstellen. Dabei war ihnen jedes Mittel recht. Sie arbeiteten mit ähnlichen, ja oft mit denselben, aber mit Sinn entleerten und demagogisch bestimmten, Begriffen. Vom Geiste waren sie aber alle Erzfeinde des Marxismus. Die Webersche Gesellschaftstheorie und die Heideggersche Philosophie zählen zu dieser Sorte der Kopfgeburten.

         

        Der Keynesianismus, der ein englisches Produkt ist, ist auch in diese Tradition einzuordnen und sein Verhältnis zum Marxismus ist im Lichte dieser Entwicklung zu sehen. Seinerzeit musste schon der zynische liberale John Stuart Mill, der zuerst die in England geboren Idee des Sozialismus, zum Fremdkörper erklärte, musste unter dem Druck der Straße, ohne seinen eklektisch liberalen Geist aufzugeben, an Marxismus Zugeständnisse machen. Doch nach der Oktoberrevolution half all das nicht mehr. Da musste eine konservative Theorie mit einem linken 'Anschein' erfunden werden. In der Wirtschaftstheorie entspricht der Keynesianismus diesem Bedürfnis.

         

        Keynes' Programm zur Kritik der klassischen politischen Ökonomie

         

        Keynes' Hauptwerk ist die Allgemeine Theorie der Beschäftigung, des Zinses und des Geldes (Duncker & Humbolt, 1994; Zitate in Klammern), das er der klassischen politischen Ökonomie entgegenstellen will. Er will also wie Marx die klassische politische Ökonomie kritisieren. Insofern ist sein Hauptwerk auch ein Antiprogramm gegen die Marxsche Kritik. Er gibt das offen zu. Er schreibt nämlich, dass er "die Theorie von Ricardo - Marx widerlegen" möchte. (H. Meißner, Bürgerliche Ökonomie ohne Perspektive, 1976, 124) 

         

        Er weitet aber den von Marx geprägten Begriff der klassischen politischen Ökonomie bis Unkenntlichkeit aus, dass seine Auseinandersetzung nicht mehr mit den Klassikern, sondern eher mit ihrer verzerrten Interpretationen stattfindet. Seine Kritik ist deshalb zugleich eine Zurechtbiegung der Vulgärökonomie. Wer in diesem Antiprogramm gegen Marxsche Kritik von Keynes aufgezeigt haben möchte, wo sie geirrt hat, muss enttäuscht werden. In dem ganzen Buch wird Marx nur drei Mal erwähnt, auf Adam Smith gibt es einige unbedeutende Hinweise. Nur Ricardo wird am ausführlichsten diskutiert, die allerdings nicht Diskussion genannt werden kann. Man darf in diesem Werk auch keine Auseinandersetzung mit klassischen Begriffen wie Arbeit, Arbeitswertlehre (obwohl er sich doch mit der Arbeitslosigkeit auseinandersetzen möchte), Ware, Wert, Mehrwert erwarten.

        Keynes genießt ein gewisses Ansehen, weil er die neoliberale Wirtschaftspolitik kritisiert. Doch was ihn mit Neoliberalen und allen anderen Vulgärökonomen verbindet und von den Klassikern unterscheidet, ist sein formaler Ansatz. Die Klassiker und ebenso Marx als deren Kritiker bedienen sich einem materiellen Ansatz. Bei diesem geht es um die Vermittlung zwischen dem Wesen und den Erscheinungsformen, während bei jenem sich nur um Erscheinungsformen handelt. Dies erklärt auch, warum er den klassischen Begriff der Arbeit, wo es um die Vermittlung zwischen dem Wesen und den Erscheinungsformen der Arbeit geht, durch einen vorklassischen Begriff, wo es die Arbeit nicht gibt, sondern nur verschiedene Arbeiten, ersetzen möchte.

         

        Keynes' eigene Ortsbestimmung

         

        Trotz vieler "Linken", die Hoffnungen in Keynes hegen, bestimmt er seinen Standort klar: "Wie kann ich ein Bekenntnis annehmen [den Marxismus], das ... das klobige Proletariat über Bürgertum und Intelligentia emporsteigert, die trotz aller Fehler doch die Werte des Lebens darstellen und wahrhaftig die Saat aller menschlichen Vervollkommnung enthalten?" (Meißner, 124) Deshalb sagt er: "Wenn es als solche zum Klassenkampf kommt, ... der Klassenkrieg wird mich auf der Seite der gebildeten Bourgeoisie finden". (I. Mészáros, The Power of Ideology, Zed Books 2005, xi) Diese Aussagen sprechen für sich. Unverständlich ist nur, warum manche "Linke" aus einem, der sich offen zum Klassengegner erklärt, Bündnispartner machen wollen.

         

         Das wirtschaftpolitische Ziel des Keynesianismus

        Der Keynesianismus rühmt sich damit, dem Problem der Arbeitslosigkeit eine Lösung gefunden zu haben. Was ist die Grundfehler der kapitalistischen Gesellschaft? Keynes: "Die hervorstechenden Fehler der wirtschaftlichen Gesellschaft, in der wir leben, sind ihr Versagen, für Vollbeschäftigung Vorkehrung zu treffen und ihre willkürliche und unbillige Verteilung des Reichtums und der Einkommen." (314) 

         

        Wie weit möchte Keynes in der Bekämpfung der "willkürliche[n] und unbillige[n] Verteilung des Reichtums" gehen? Keynes: "Ich selber glaube, daß bedeutsame Ungleichheiten von Einkommen und Reichtum gesellschaftlich und psychologisch gerechtfertigt sind, aber nicht so große Ungleichheiten, wie sie heute bestehen." (315)

         

        Keynes möchte durch eine richtige Analyse die Krankheit Arbeitslosigkeit heilen. Wie? "Ich sehe keinen Grund anzunehmen, daß das bestehende System die in Gebrauch befindliche Erzeugungsfaktoren [er möchte wohl "Produktivkräfte" sagen, - DG] ernstlich fehlbeschäftigt." (320) Wenn es Arbeitslose gibt, dann muss man für sie eine Beschäftigung schaffen. Die Existenz der Arbeitslosigkeit an sich beweist aber nicht, dass die "Richtung der tatsächlichen Beschäftigung" falsch ist, wie etwa Marx sagen würde, sondern die "Bestimmung der Menge". (320) Man muss aber für die Arbeitslosen unbedingt eine Beschäftigung finden. Sonst: "Es ist sicher, daß die Welt die Arbeitslosigkeit, die, von kurzen Zeiträumen der Belebung abgesehen - nach meiner Ansicht unvermeidlich - mit dem heutigen kapitalistischen Individualismus verbunden ist, nicht viel länger dulden wird." (321) Keynes will also nicht die Lohnarbeit abschaffen, wie Marx es einfordert, sondern den "klobigen" Arbeitslosen eine wie auch immer geartete Beschäftigung geben, sonst bestehe die Gefahr, dass sie sich in Revolutionäre verwandeln.

         

        Keynes kritisiert die neoliberale Wirtschaftstheorie. Das ist soweit richtig. Diese Kritik ist aber einzig und allein von der Sorge getragen, dass dies zum Zusammenbruch des Systems führen könnte. Er schlägt er eine Wirtschaftspolitik vor, die er"... als das einzige durchführbare Mittel, [um] die Zerstörung der bestehenden wirtschaftlichen Formen in ihrer Gesamtheit zu vermeiden...." (321) Diese Sorge wird heute vom konservativen Norbert Blüm genauso geteilt wie vom selbsternannten Sozialisten Gregor Gysi. Blüm sagt: Die Wirtschaftspolitik der Regierung wird das System zum Zusammenbruch führen. Gysi sag: Die Widersprüche des Kapitalismus verschärfen sich und auch die Kritik am Kapitalismus muss schärfer werden. Aber das darf nicht zur Rechtfertigung der DDR führen und meint damit den Sozialismus. Also der konservativen Losung folgend alles ändern, damit es beim Alten bleibt.

         

        Heinz Jung hat vor mehr als zehn Jahren davor gewarnt, dass der Neokeynesianismus als Staatspolitik zur Stabilisierung des Systems wiederkehren könnte. Die Linke darf also dem Keynesianismus nicht zur Wiedergeburt verhelfen, sondern muss sein Geist neben Neoliberalismus auch gegen alle Formen des Keynesianismus schärfen. Nicht umsonst hat Lenin Keynes als "eingefleischter Gegner des Bolschewismus" genannt. (LW 31, 207)

 


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