[OPE-L:6920] [OPE-L:410] MEGA

Gerald Levy (glevy@pratt.edu)
Sat, 9 Jan 1999 15:45:34 -0500 (EST)

>From another list, posted by Hinrich Kuhls <kls@mail.online-club.de>:

After a break of five years a new volume of the MEGA (Marx Engels Complete
Edition) has now been published. For those of you (or your comrades,
friends, colleagues) who are interested in this subject and who (unlike me)
have the resources to follow this edition I reproduce the report on the
press conference concerning the presentation of volume IV/3 to the public.
This volume contains hitherto unpublished excerpts and notes by Marx from
summer 1844 to early 1847 (in connection with f.e. the Feuerbach theses,
the Holy Family etc.)

Some further points from the report:

The publisher, which used to be Dietz Verlag, is now Akademie Verlag
Berlin. There are seven editors left on full time basis (reduced from 100).
There will be 122 volumes (reduced from 170) whereof up to now have been
published 48. Number of copies printed: 1500. About fifty per cent of the
copies will presumably be sold to libraries and booksellers in Japan. Price
per copy: 152 Euro or about 180 US-Dollar.

The report also points to threats to stop the edition, to the social
situation of the (remaining) editors and the lay-off of a lot of former
editors, the changes in the editorial policy, the institutes which are
still involved, and to some aspects of contents of the just released volume.

The next volume due this year is IV/31: hitherto unpublished excerpts on
natural sciences by both Marx and Engels from 1879 to 1883. Hence at least
that stuff will be required reading for the contributors to the current
threads on nature and dialectics.

Hinrich Kuhls

>>>>>>>>>>>
http://www.jungewelt.de/ or for the report:
http://www.jungewelt.de/1998/12-19/017.shtml

Junge Welt, 19.12.1998

Ende der MEGA-Pause
Nach fuenf Jahren erschien wieder ein Band der Marx-Engels-Gesamtausgabe.

Von Arnold Schoelzel

Am Donnerstag hatte die Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften
(BBAW) ins Casino ihres Gebaeudes in der Jaegerstrasse geladen, um einen
neuen Band der Marx-Engels-Gesamtausgabe (MEGA) vorzustellen. Dieser Band
IV/3, der Exzerpte und Notizen von Karl Marx vom Sommer 1944 bis Anfang
1847 enthaelt, ist der erste, der nach einer Pause von fuenf Jahren auf der
Grundlage der neuen Editionsrichtlinien und unter voellig veraenderten
Arbeitsbedingungen von einer der beiden Moskauer Arbeitsgruppen des
Gesamtprojekts fertiggestellt wurde.

Der Andrang zur Pressekonferenz war gross, die Informationen zur Situation
der Edition waren umfassend, die meisten Fragen hielten die in
Bundesdeutschland bei Erwaehnung des Namens Marx ueblichen Proportionen von
Bekenntnissen (viel) und Kenntnissen (wenig) ein - die Veranstaltung
verlief den Umstaenden entsprechend. Zu letzteren zaehlt, dass ab 1990 im
Zuge der wissenschaftlichen Flurbereinigung in der Ex-DDR natuerlich auch
die MEGA 'evaluiert' wurde. Ihr blieb das Eliminierungs-Schicksal der
wissenschaftlichen DDR-Buchproduktion erspart, dem Personal nicht: Von mehr
als 100 MEGA-Forschern in der DDR sind jetzt noch sieben hauptamtlich in
einer Arbeitsstelle der BBAW taetig - das entspricht dem ueblichen
Prozentsatz in den bluehenden wissenschaftlichen Landschaften des Ostens.

Fuer die MEGA hat sich, so teilte die FAZ bei der UEbergabe des Projekts
vom Dietz Verlag an den Akademie Verlag im Oktober mit, Bundeskanzler
Helmut Kohl eingesetzt. Der Abbruch der Edition waere zu peinlich gewesen.
Abgewickelte Wissenschaftler, die notfalls als Versicherungsvertreter
unterkommen, lassen sich vor der Weltoeffentlichkeit weitaus besser
verbergen als Bucheditionen, an denen Bibliotheken weltweit Interesse
angemeldet haben.

Die Fortsetzung der MEGA sollte daher nicht vom Schicksal ihrer Macher
ablenken, was vermutlich ein erwuenschter Nebeneffekt waere. Ausserdem
arbeitet ein Grossteil der rausgeworfenen Ostdeutschen- auch am Donnerstag
fehlte das obligatorische 'ideologisch belastet' nicht - per Werkvertrag
oder unentgeltlich weiter mit. Natuerlich sass keiner von ihnen in der so
gruendlich gesaeuberten Akademie unter den Auskunftgebenden.

Professor Herfried Muenkler, Akademiemitglied und stellvertretender
Vorstandsvorsitzender der Internationalen Marx-Engels-Stiftung Amsterdam
(IMES), resuemierte eingangs noch einmal die Situation der MEGA-Edition.
Der 1990 gegruendeten IMES gehoeren neben der BBAW das Internationale
Institut fuer Sozialgeschichte in Amsterdam (IISG), das Karl-Marx-Haus
Trier der Friedrich-Ebert-Stiftung sowie zwei Moskauer Institute an. Damit
sind die wichtigsten Standorte der Nachlaesse von Marx und Engels
vertreten: In Amsterdam befinden sich ungefaehr zwei Drittel, in Moskau der
Rest.

Muenkler hob hervor, dass die IMES neue Editionsrichtlinien und ein neues
Editionsprogramm verabschiedete: Ersteres ziele weniger auf die
philologische Arbeit als vielmehr auf die bis 1989 uebliche,
parteigebundene Kommentierungsweise, letztere haetten eine Reduktion des
Gesamtprogramms zur Folge gehabt. Statt der urspruenglich geplanten 170
Baende soll die Ausgabe jetzt 122 umfassen.

Der jetzt erschienene ist der 48. Band, die fehlenden 74 sollen in den
naechsten 20 bis 30 Jahren vorliegen, d. h. zukuenftig soll es jaehrlich
zwei bis drei Baende der MEGA geben. Muenkler betonte die
"Entschlossenheit, die Zuendefuehrung dieser ambitionierten Edition immer
im Auge zu behalten". Leitidee des Vorhabens sei die "Historisierung von
Marx und Engels als Teil der Wissenschaftsgeschichte des 19. Jahrhunderts".
Er bedauerte, dass das "in der Aussenwahrnehmung immer noch nicht
akzeptiert" werde. Auch ein "historisierter" Marx erzeugt eben in diesem
Land mehrheitlich Unwohlsein bzw. eben Rauswerf- und Liquidierungsaffekte.

Professor Juergen Rojahn (IISG) betonte in seinen Ausfuehrungen die
Besonderheit der MEGA: Sie sei wegen der breiten oeffentlichen Resonanz,
wegen der Wirkung der Autoren und ihres Nachlasses "anders als alle
Editionsprojekte". Er charakterisierte den Nachlass von Marx als einen
"unabgeschlossenen Forschungsprozess", dessen Publikation immer wieder die
internationale Diskussion stark beeinflusst habe - angefangen vom zweiten
Band des "Kapital" (1885) ueber die "Deutsche Ideologie" (1925) bis zu den
"OEkonomisch-philosophischen Manuskripten" (1932). Rojahn fuehrte aus, die
gesamte Edition sei immer Parteiangelegenheit gewesen - bereits vor 1914.
Erst nach 1990 sei es moeglich geworden, auf die Parteibindung zu
verzichten und die Edition tatsaechlich zu internationalisieren. 1969 habe
das IISG noch auf eine foermliche Mitarbeit an der geplanten
deutsch-sowjetischen MEGA verzichtet, allerdings sein Material zur
Verfuegung gestellt. Nach 1989 sei das gravierendste Problem das der
Mitarbeiter gewesen, das IMES sei anfangs ein "Generalstab ohne Armee"
gewesen: Das Institut fuer Marxismus-Leninismus in Berlin sei abgewickelt
worden, das in Moskau 1991 geschlossen worden. Man habe seither versucht,
in moeglichst vielen Laendern moeglichst viele Arbeitsgruppen zu bilden,
wobei klar gewesen sei, dass die Bundesrepublik unbedingt dabei sein
musste. Das Resultat heute: Neben der Arbeitsstelle der BBAW gebe es zwei
Gruppen in Moskau, eine in Aix-en-Provence, sowie weitere in Japan, den
USA, in Daenemark und eine zweite in Frankreich. Sie arbeiteten eng
zusammen und seien auch personell verflochten.

Professor Georgi Bagaturija, Leiter der Moskauer Arbeitsgruppe, die den
jetzt vorliegenden Band erarbeitete, erlaeuterte dessen Inhalt: Fast alle
Texte in ihm wurden erstmals oder zum ersten Mal vollstaendig
veroeffentlicht, darunter das erste von insgesamt 20 Notizbuechern sowie
acht Exzerpthefte (von ueber 200). Es faenden sich in ihnen weniger neue
Saetze von Marx als vielmehr Auszuege aus Buechern der von ihm gelesenen
Autoren sowie Buecherlisten, die Auskunft ueber Marx' Interessen und seine
Bibliothek gaeben. Der wissenschaftsgeschichtlich interessante
Entwicklungsweg von Marx werde an Hand seiner Exzerpte aus Hunderten
Quellen sichtbar, vor allem die historische Bedingtheit seiner eigenen
Theorie.

Als Beispiel fuehrte Bagaturija die in dem Notizbuch enthaltenen
"Feuerbach-Thesen" an. Aus dem Kontext werde deutlich, dass Marx in der 11.
These ("Die Philosophen haben die Welt nur verschieden interpretirt, es
koemmt drauf an sie zu veraendern.") mit dem Wort "veraendern" weniger
einen Gegensatz von Theorie und Praxis im Auge gehabt habe als vielmehr den
von "interpretieren" und "begreifen". AEhnlich wichtig sei in dieser
Hinsicht der Entwurf "Die Entstehungsgeschichte des modernen Staats oder
die franzoesische Revolution", den Marx offensichtlich im Zusammenhang mit
der Arbeit an der "Heiligen Familie" benutzte. Ergaenzend wies Juergen
Rojahn darauf hin, dass Marx sich ausfuehrlich mit Charles Babbage
beschaeftigt habe und dort auf Probleme gestossen sei, die in der
zeitgenoessischen Diskussion um Automatisierung wieder auftauchten: Folgen
der Rationalisierung, Auswirkungen auf Menschen und ihre Beduerfnisse,
Arbeitszeit, Verlagerung von Produktion etc. Das Problem von Geschichte und
Logik habe er bei Sismondi und Cherbuliez studiert, ebenso wie das der
Globalisierung.

Marx und Engels, so das Resuemee, sind vor allem internationale Autoren:
Das betraf ihre eigene Biographie, ihre wissenschaftlichen und politischen
Interessen wie auch ihre Wirkung. Der Geschaeftsfuehrer des Akademie
Verlages, Gerd Giesler, bestaetigte das aus seiner Sicht: 30 bis 50 Prozent
der Auflage von 1500 Exemplaren werden voraussichtlich in Japan verkauft.

1999 folgen die Baende IV/31 mit bisher unveroeffentlichten
naturwissenschaftlichen Exzerpten von Marx und Engels aus den Jahren 1879
bis 1883 und der Band III/9 mit dem Briefwechsel von Januar 1858 bis August
1859.

MEGA. Bd. IV/3. Karl Marx, Exzerpte und Notizen, Sommer 1844 bis Anfang
1847. Akademie Verlag, Berlin 1998, 875 Seiten in 2 Bd., DM 298

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