[OPE-L] Nicaragua (for German readers)

From: Dogan Goecmen (Dogangoecmen@AOL.COM)
Date: Mon Nov 27 2006 - 15:23:35 EST


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DANIEL ORTEGA HAT ES GESCHAFFT

Von Wolfgang Herrmann *


Am  5. November stimmten in Nicaragua 38 Prozent der Wahlbeteiligten für
Daniel  Ortega von der FSLN. Von den bürgerlichen Parteien holte die
Nicaraguanische  Liberal-Konservative Allianz (ALN) mit Eduardo Montealegre
28,3 Prozent und  die Liberal-Konstitutionalistische Partei (PLC) mit José
Rizo 27,1 Prozent.  Für die Sandinistische Erneuerungsbewegung (MRS) mit
Edmundo Jarquín  entschieden sich 6,3 Prozent. Die Frente gewann in den
Departements Nueva  Segovia, Madriz, Estelí, Chinandega, León, Managua,
Carazo, Matagalpa und in  der Autonomen Nordatlantik-Region. Die ALN eroberte
Masaya, Granada und  Rivas. Die PLC siegte in Boaco, Chontales, Jinotega und
in der Autonomen  Südatlantik-Region. Als der Oberste Wahlrat am 7. November
das Ergebnis  verkündete, war die Hauptstadt Managua voll von rotschwarzen
Fahnen der FSLN.  Die Anhänger Ortegas feierten ihren Präsident.

Es war ein langer Weg  Daniel Ortegas und der FSLN zurück an die Macht, die
sie 1990 bei der Wahl  verloren hatten. Noch dreimal stellte sich Daniel
Ortega der Wahl. Er und die  FSLN wollten die Lüge der inneren und äußeren
Reaktion widerlegen, daß die  FSLN nur mit Waffengewalt an die Macht kommen
und diese halten könne. Dafür  ist er immer wieder angetreten und er hat es
nun geschafft. Ein Teil des  Volkes gab ihm noch einmal die Chance. Er hat
mit seiner Partei das  glaubhafte Projekt der Einheit Nicaraguas entworfen.


Das neoliberale  Zeitalter

Als die FSLN 1990 nach der von ihr initiierten Verfassung  abgewählt wurde,
schien der Traum der sandinistischen Volksrevolution zu Ende  gegangen zu
sein. Nach 11jährigem Kampf gegen das USA-Imperium, das Nicaragua  mit
Contrakrieg und Wirtschaftsblockade überzog, war das nicaraguanische  Volk
müde geworden und die FSLN fast verbraucht. Bei den Wahlen erreichte  sie
zwar 41 Prozent, das langte aber nicht, um gegen die von Frau  Violeta
Barrios de Chamorro angeführte Nationale Oppositionsunion (UNO),  eine
antisandinistische Allianz, zu bestehen. Die neue Regierung versprach  dem
Volk den Beginn eines neuen Zeitalters. Es brachte dem Volk zwar  den
Frieden, aber auch unermeßliche Armut. Die volkseigenen und  staatseigenen
Betriebe wurden für geringfügige Geldsummen an die neuen  Unternehmer
verschleudert, die mit der UNO auftauchten.

Für die FSLN  begann eine schwere Zeit. Hetze, Verleumdung und Rufmord jagten
sie. Sie  wurde als zweite Diktatur nach Somoza verteufelt. Nach der Methode
„Haltet  den Dieb!“, erfand die Reaktion die Piñata, den  angeblichen
Selbstbedienungsladen der Sandinisten. Konzentrationslager und  Massengräber
wurden erfunden. Der Krieg, die Wirtschaftskrise verwandelten  sich in Folgen
der Gewaltherrschaft der Sandnisten. Den Ostdeutschen, und  nicht nur ihnen,
wird das alles bekannt vorkommen.

1996 verlor Daniel  Ortega und die FSLN erneut. Sie erreichte 38 Prozent
gegenüber 56 der  liberalen Allianz von Arnoldo Alemán. Frau Violeta Barrios
de Chamorro hatte  öffentlich dazu aufgerufen, den Bürgermeister von Managua,
der Hauptstadt  Nicaraguas, zu wählen. Alemán bedeutete fünf weitere Jahre
des Elends für die  Nicaraguaner. Er gestattete nicht nur den Erhalt des
Systems. Vom ersten Tag  seiner Regierung an begann er, die Beute unter
seinen ihm am nächsten  stehenden Gesinnungsgenossen zu verteilen.

An die Regierung gekommen,  liefen Alemán und der PLC ein Teil der Mitglieder
und Abgeordneten weg. Um in  der Nationalversammlung die Mehrheit zu sichern,
bot die PLC der FSLN einen  Vertrag an. Die FSLN ging darauf ein und sicherte
auf diesem Wege die  Ergebnisse der Agrarreform, das Wahlgesetz, ihre Plätze
im Obersten Wahlrat  und ihre Richter. Sicherlich kann man sich bessere
Konstellationen  vorstellen.

Man kann das Verhalten der FSLN in dieser Zeit kritisieren,  keine Frage. Wer
keine Verantwortung hat und keine übernehmen will, wird  immer klüger sein.
Der Vertrag wurde später als „Pakt zweier Caudillos“,  Alemán und Ortega,
verteufelt.

2001 erhielt die FSLN 42 Prozent der  Stimmen. Es reichte wieder nicht. Nach
dem 11. September hatte das Weiße Haus  den Wahlkampf der bürgerlichen
Parteien übernommen. Sie verordneten dem  liberal-konservativen Lager einen
Kandidaten, Enrique Bolaños, drohten mit  Krieg und Wirtschaftsblockade,
falls die FSLN die Wahl gewinnen sollte. Das  Volk war eingeschüchtert. Mit
der FSLN ging damals die Sandinistische  Erneuerungsbewegung MRS, die
Organisation der früheren Sandinisten, die sich  von der FSLN abgewandt
hatten oder aus ihr ausgeschlossen worden  waren.

Die Regierung Bolaños setzte den Raubzug am Volk fort. Eine  weitere Periode
der Korruption begann, nur das sie dezenter, dafür  hinterhältiger war.
Letzte Beispiele: Die Abendgabe von 500 Millionen Dollar  an eine
Ingenieurgesellschaft und die Wertpapiere der bankrotten Banken, die  sie zu
aufgeweichten Preisen an die Ministranten der Regierung verkaufte.  Oder das
Geschäft mit dem Nicaraguasee. Mit NICANOR entstand  ein
norwegisch-nicaraguanischer Konzern, der in Fischfarmen drei  Millionen
Kilogramm Tilapias, eine afrikanische Barschart, züchtet. Alle  Warnungen vor
der Verschmutzung des Trinkwasser-Reservoires stießen auf taube  Ohren.
Gegründet wurde das Unternehmen vom Neffen des Ex-Präsidenten  Bolaños.

2002 kam es zu einer schweren politischen Krise. Bolaños wollte  sich der
Forderung des Weißen Hauses fügen, die Sandinisten aus allen Ämtern  zu
vertreiben. Das war jedoch nicht im Sinne eines Tils der PLC,  der
widerspenstig gegenüber der USA-Administration auftrat. Dieser  Flügel
versagte Bolaños die Gefolgschaft. Es kam zu einem Machtvakuum. Das  Land
wurde unregierbar. Gerüchte über einen Staatsstreich lagen in der Luft.  In
diesem Moment handelte die FSLN und erneuerte den Vertrag. Bolaños  fing
seine Anhänger in der APRE, der Patriotischen Allianz für die Republik,  auf.
Daraus entwickelte sich die liberal-konservative Allianz Nicaraguas  ALN.


Der lange Weg der FSLN zurück an die Macht

Am 5. November  2006 bewahrheiteten sich die Prognosen für die FSLN. Der
lange Weg Daniel  Ortegas und der FSLN zurück an die Macht war möglich
geworden.  Warum?

Erstens hat das nicaraguanische Volk genug von 16 Jahren  liberaler
Regierungen. Diese hatten jedes Mal geschworen, mit und für das  Volk zu
arbeiten. Das angekündigte neue Zeitalter wurde eins mit fatalen  Folgen. Die
Kennziffern der Armut wuchsen: 82 Prozent der Bevölkerung leben  in Armut:
4,2 Millionen Menschen. Ungefähr 50 Prozent sind Arbeitslos.  Einige
verdienen monatlich zwischen 4 000 und 20 000 Dollar, während in  anderen
Bereichen, wie im Gesundheitswesen, im Bildungswesen, bei der Polizei  und in
der Armee nicht mehr als 500 bis 1 000 Cordoba gezahlt werden, das  heißt 28
bis 56 Dollar.

Der Analphabetismus betrug 1990 12 Prozent. Er  wuchs auf 35 Prozent. Er hat
die höchste Rate in der Region. Unter den Frauen  auf dem Lande beträgt er 40
Prozent. 20 Prozent der Bevölkerung im  schulfähigen Alter hat keinen Zugang
zur ersten Bildungsstufe und 77 Prozent  der Kinder, die in der ersten
Bildungsstufe begannen, beenden sie nicht. 1998  gab es 313 öffentliche
Schulen der zweiten Stufe entgegen 436 private Schulen  der zweiten Stufe.
253 057 Kinder (das ist die offizielle Angabe, real sind  es mit Sicherheit
mehr) sind dazu verdammt, für die Familie zu  sorgen.

Costa Rica hat einen Analphabetismus von 4,4 Prozent. Auf Kuba  ist er
faktisch Null. Die Kindersterblichkeit wuchs in Nicaragua auf 35 tote  auf 1
000 lebend geborene Kinder. Damit steht das Land auf einem Niveau mit  El
Salvador, Brasilien und Guatemala. Auf dem Gebiet der  Kindersterblichkeit
befindet sich Nicaragua unter den 36 Ländern der Erde mit  den schlechtesten
Werten. 1998 schickte Arnoldo Alemán die kubanischen Ärzte  nach Hause, was
dazu führte, das die ländlichen Gebiete ohne nennenswerte  ärztlich Betreuung
sind.

Seit 1990 erfuhr Nicaragua einen noch nie  dagewesenen Exodus, massive
Immigrationen nach Costa Rica und in die  Vereinigten Staaten, auf der Suche
nach besseren Perspektiven. Rund 20  Prozent der Bevölkerung verließ in den
vergangenen 16 Jahren das Land.  Nicaragua exportiert die billigsten
Arbeitskräfte. Es gibt mehr als 1 Million  Immigranten: 600 000 in Costa
Rica, 350 000 in den Vereinigten Staaten und  100 000 in El Salvador. Die
Überweisungen an die Familien beliefen sich 1993  auf 50 Millionen Dollar.
Heute sind es 1 Milliarde Dollar. Deshalb überlebte  Nicaragua und erlitt
keinen Kollaps.

Die Nicaraguaner ertrugen drei  Regierungen, die in Friedenszeiten regierten,
ohne Krieg, ohne Blockaden, mit  einer enormen finanziellen Unterstützung. Am
5. November 2006 wählten sie das  liberale Lager ab. Wie zerfressen dieses
ist, beweist schon die Tatsache, daß  es selbst der USA-Regierung nicht
gelang, es diesmal zusammenzuhalten und auf  einen Kandidaten einzuschwören.

Zweitens hat es die FSLN geschafft,  Vertrauen im Volk zurück zu gewinnen.
Dafür sprechen die Ergebnisse der  Wahlen in den Departements, in den
Munizipien und in den Autonomen  Atlantikregionen. Nach 1990 hatte die Frente
in den Departements und  Munizipien empfindliche Wahlniederlagen einstecken
müssen. Selbst historische  Einflußgebiete gingen ihr verloren. Noch bei den
Munizipalwahlen 2000 hatten  die Liberalen Regionen in ihrer Hand, in denen
Sandino erfolgreich kämpfte  und später die FSLN im Kampf gegen Somoza "ihre
Quartiere" hatte. Am  schmerzlichsten mußten für sie die Verluste von
Pancasán, Villa Sandino und  Villa Carlos Fonseca gewesen sein. 2000 gewann
die PLC 90, die FSLN nur 36  Munizipien.

Bei den Munizipalwahlen 2004 wandte sich das Blatt. Die FSLN  gewann 87 der
152 Munizipien, die PLC Alemáns 59, die Indigenenpartei YATAMA  und die APRE
Bolaños je drei. Die FSLN gewann die Hauptstadt Managua mit 44  Prozent der
Stimmen gegenüber 35 Prozent der PLC. Sie gewann ebenfalls in den  Regionen
Nueva Segovia, Madriz, Estelí, Chinandega, León, Managua, Masaya,  Carazo,
Granada und Rivas.

Bei den Wahlen in den Autonomen  Atlantikregionen 2006 verbesserte das
Bündnis aus FSLN und der YATAMA seine  Positionen gegenüber 2002. Im Norden
behielt es 9 Verwaltungsbezirke  gegenüber 6 Verwaltungsbezirke der
Liberalen. Im Süden verloren die Liberalen  von 13 Verwaltungsbezirken fünf,
während das Bündnis FSLN-YATAMA fünf zu den  vorher zwei hinzu gewann. Die
Frente nutzte die gewonnen Positionen. So hat  sie mit einer
Alphabetisierungskampagne in den 87 von ihr regierten Regionen  begonnen.
Nach einem Pilotplan werden 300 000 Personen lesen und schreiben  lernen. Der
beharrliche Kampf der FSLN, die nicaraguanischen Menschen durch  konstruktive
Arbeit in den Kommunen zurück zu gewinnen, zahlt sich endlich  aus.

Die Frente hat es in den Jahren geschafft, neue Bündnispartner zu  finden.
Dabei hat sie zweifellos taktiert. Bei den diesjährigen Wahlen führte  die
FSLN das Wahlbündnis Unida Nicaragua Triunfa an. Zu ihm gehört  YATAMA,
christliche Parteien, traditionelle Bewegungen, Teile der früheren  Contra,
sowie Liberale, die der PLC den Rücken kehrten. Mit der Verbindung  zur
YATAMA und anderen Parteien der Autonomie wurde ein Durchbruch unter  der
indigenen Bevölkerung erreicht. Zur Zeit der Sandinistischen Regierung  waren
die Beziehungen zu ihr keine fruchtbaren.

Die FSLN und ihre  Verbündeten sind für die unteren Schichten der Bevölkerung
eine Alternative  geworden. Auch die Aussöhnung mit der katholischen Kirche
und Teilen der  früheren Contra scheint Früchte zu tragen. Besonders
Letzteres war  umstritten. Wer denkt noch daran, daß die FSLN 1988, als die
sowjetische  Führung Gorbatschows sie im Regen stehen ließ, an den
Verhandlungstisch mit  der Contra mußte? Damals schloß sie ein Abkommen. Die
Demobilisierten der  Armee und der Contra sollten Land erhalten und sich
ansässig machen. Die  Sandinisten konnten das Abkommen nicht mehr erfüllen
und die folgenden  liberalen Regierungen taten es nicht. Ist es so abwegig,
daß die FSLN um  Daniel Ortega es wieder aufnehmen und realisieren will?

Nicht aufrecht  erhalten blieb für die FSLN die Zusammenarbeit mit der MRS.
Noch auf dem III.  Kongreß der FSLN hatte diese ihre Bereitschaft dazu
erklärt, rückte aber 2005  mit der eigenen Kandidatur davon ab. Ihre
Auftritte gegen die FSLN und Daniel  Ortega nutzten dem liberal-konservativen
Lager. Anläßlich einer Beratung im  Mai diesen Jahres, zu der das State
Department die drei  Präsidentschaftskandidaten Rizo, Montealegre und Lewites
nach Miami  eingeladen hatte, schloß letzterer einen Pakt, daß er und seine
Allianz im  Falle einer Stichwahl auf eine eigene Kandidatur verzichten
würden und dem  von der USA-Administration favorisierten Montealegre die
Stimmen gäben. Das  Volk hat das Manöver durchschaut. Nicht so einige Linke
in der Bundesrepublik  Deutschland. Abgeordnete der Linkspartei.PDS ergriffen
Partei für die MRS. In  einem Internet-Bericht stellten sie die „Retter des
Sandinismus“ als linke  Alternative zur FSLN vor.

Drittens hat die FSLN einen schweren  Entwicklungsprozeß durchgemacht. Sie
behielt aber immer ihre sandinistische  Identität bei. Nach dem Vorbild
Sandinos kämpft sie für die nationale  Unabhängigkeit Nicaraguas und gegen
die nordamerikanische Intervention. Bis  zu ihrer Wahlniederlage 1990 war die
FSLN keine Partei. Als solche  konstituierte sie sich auf dem I. Kongreß im
Juli 1991. Auf diesem Kongreß  nahm sie strategische Linien an. Zwei
Richtungen bestimmten die Debatte. Die  eine wollte auf dem Weg von Reformen
die Gesellschaft verbessern. Die andere  verlangte, der neoliberalen Politik
eine revolutionäre Antwort zu geben. Ihr  Wortführer war Daniel Ortega. Der
Kongreß war eine Veranstaltung der  taktischen Einheit. Er stoppte die
Meinungsvielfalt und privilegierte die  Ortega-Strömung. Die Mehrheit der
Delegierten wählten Daniel Ortega zum  Generalsekretär.

Vor den Präsidentschaftswahlen 1996 fand im Mai der II.  Kongreß der FSLN
statt. Er beschloß die Wahlplattform und eine Politik der  Allianz. Die FSLN
nahm erneut Gespräche mit Führern der Ex-Contra auf. Sie  wollte einer
Rekrutierung durch nordamerikanische Werber im Falle eines  erneuten
Machtantritts der Frente vorbeugen. Nach der Wahlniederlage  brachen
Machtkämpfe innerhalb der FSLN offen aus. Es entstanden Fraktionen  und
politische Gruppierungen. Die Frente verlor angesehene Leute.  Sergio
Ramirez, unter Daniel Ortega Vizepräsident, verließ die FSLN und  gründete
die Sandinistische Erneuerungsbewegung. Ihm gleich tat es Dora Maria  Tellez,
Gesundheitsministerin im Ortega-Kabinett. Sie wurde Vorsitzende  dieser
Bewegung. Die Priesterbrüder Ernesto und Fernando Cardenal, Minister  in der
Sandinistischen Regierung, zogen sich ebenfalls aus der FSLN zurück.  Henry
Ruiz, Victor Tirado, Jaime Wheelock und Luis Carrión, alle früher  Mitglied
der Nationalleitung, gingen auf Distanz. Einige von ihnen gehören  heute der
MRS an.

Auf ihrem III. Kongreß 2002 beschloß die FSLN ein  neues Programm. Darin
formuliert sie zum ersten mal in ihrer Geschichte, daß  sie eine
revolutionäre sozialistische Partei sein will, die sich den  Sozialismus zum
Ziel stellt. 2005 unternahm die MRS den Versuch, das Heft des  Handelns in
die Hand zu bekommen. Sie baute Herty Lewites als  Präsidentschaftskandidat
der FSLN gegen Daniel Ortega auf. Der Kongreß der  FSLN entschied anders.
Ortega blieb der Präsidentschaftskandidat. Einzelne  FSLN-Mitglieder,
darunter das Mitglied des Nationalrates der FSLN, Victor  Hugo Tinoco und
Monica Baltodano lehnten sich dagegen auf. Sie wurden aus der  FSLN
ausgeschlossen beziehungsweise verließen diese und gingen zur MRS.  Auch
Herty Lewites.

Wer war Herty Lewites? Zur Zeit der  Sandinistischen Regierung war er
Tourismusminister im Ortega-Kabinett und  Direktor des größten
Tourismusunternehmens Nicaraguas NICATUR. Das  Unternehmen behielt er nach
der Wahlniederlage 1990. 2000 gewann er für die  FSLN das Bürgermeisteramt
der Hauptstadt Managua. 2004 trat er noch einmal  dafür an, jedoch als
Unabhängiger. Daraufhin stellte die FSLN Dionisio  Marenco als
Bürgermeisterkandidaten auf, der dann auch prompt die Wahl  gewann. Herty
Lewites hat diese Niederlage nicht überwunden. Er verstarb im  Sommer diesen
Jahres. Als Präsidentschaftskandidat beerbte ihn Edmundo  Jarquin, der
Schwiegersohn von Ex-Präsidentin Violeta Barrios de Chamorro. Es  wird
erzählt, daß er COSEP, dem reaktionären Unternehmerverband, nahe stehe.  Die
MRS ist eine Minderheit von Leuten, die sich von der FSLN  trennten.

Die heute zur MRS gehörenden Henry Ruiz, Luis Carrión und  Victor Tirado,
Dora Maria Téllez, Ernesto Cardenal, Hugo Torres, Mónica  Baltodano, Sergio
Ramirez und Victor Hugo Tinoco, waren in der Zeit der  Sandinistischen
Regierung dabei: als Vizepräsident, als Mitglieder der  Nationalleitung, als
Minister und als Abgeordnete der Nationalversammlung.  Damals war Daniel
Ortega für sie kein Caudillo, kein Kuppler und kein  Diktator. Damals war er
ihr Bruder. Und er war bereit, nach der  Wahlniederlage 1990 den ganzen
Schmutz, der über die FSLN ausgeschüttet  worden ist, auf sich zu nehmen. Hat
er das getan, um sich heute ihren Verrat  abzuholen? Toni Solo, ein freier
Journalist Mittelamerikas, schrieb dazu:  „Die Führungskräfte der MRS und
Herty Lewites schafften es nicht, in der FSLN  zu überzeugen. Sie wurden
geschlagen und sie gingen.“

In der FSLN  haben sich also die Kräfte durchgesetzt, die ihr heutiges Profil
bestimmen.  An der Spitze dieser Kräfte steht Daniel Ortega. Der
Formierungsprozeß der  FSLN ist mit seinem Namen verbunden. Deshalb setzt die
Frente immer wieder  auf ihn. Er ist der Mann der Frente mit den größten
Erfahrungen, sowohl als  Guerillaführer, wie als Präsident und auch als
Oppositionsführer. In seiner  Person vereinigt sich viel aus der
kämpferischen und schwierigen Geschichte  der FSLN. Er hat die FSLN durch die
schweren Zeiten nach der Wahlniederlage  1990 geführt.


Viertens haben sich die äußeren Bedingungen für die  FSLN verbessert. Die
Existenz des sozialistischen Kuba, die Bolivarianische  Revolution in
Venezuela, die Wahlergebnisse in anderen lateinamerikanischen  Ländern,
zeigen auch auf Nicaragua Wirkung. Vor einiger Zeit schloß die FSLN  mit der
Bolivarianischen Regierung ein Abkommen ab, wonach 53 der von ihr  regierten
Regionen mit Erdöl aus Venezuela zu Vorzugspreisen beliefert  werden.

In den Glückwünschen der fortschrittlichen Präsidenten  Lateinamerikas kam
die Freude über den Erfolg Ortegas zum Ausdruck. Fídel  Castro gratulierte
Daniel Ortega vom Krankenbett aus zum „grandiosen Sieg“.  Hugo Chávez lud ihn
ein, sich Venezuela beim „Aufbau der zukünftigen  sozialistischen
Bruderschaft des 21. Jahrhunderts“ anzuschließen.

Das  Weiße Haus hat offensichtlich eine abwartende Haltung eingenommen. Man
gab  bekannt, mit Ortega zusammenzuarbeiten, wenn dieser sein Versprechen,
sich  für eine "demokratische Zukunft" Nicaraguas einzusetzen, hält. In den
USA  sprach man bereits von einem „Linksruck in Lateinamerika“, mit dem
„besonnen“  umzugehen sei. Gegenüber Nicaragua müsse „Reife“ gezeigt werden,
damit das  Land nicht in den „venezolanischen Orbit“ eintrete.


Unida Nicaragua  Triunfa

Die FSLN führte das Wahlbündnis Unida Nicaragua Triunfa (das  vereinte
Nicaragua siegt) zum Wahlerfolg. Dieses legte ein Regierungsprogramm  mit
acht Verpflichtungen vor. Es geht um Arbeit für das ganze Volk. Auf  dem
Lande soll sofort der Wandel der Monokulturen in Multikulturen  veranlaßt
werden. Man will die landwirtschaftlichen und industriellen Quellen  des
Exports erweitern. Im Gesundheitswesen sind mehr Krankenhäuser  und
Gesundheitszentren, bessere Apotheken und mehr Medikamente vorgesehen.  Der
Bedarf soll langfristig aus dem Gewinn des günstigen Erdölkaufs  aus
Venezuela finanziert werden. Die Alphabetisierungskampagne wird im  ganzen
Land fortgesetzt. Für die Universitäten sind sechs Prozent des  Budgets
vorgesehen. Jede Gemeinde soll frei vom Analphabetismus werden.  Nicaragua
will sich an der von der UNESCO initiierten Wissensära des 21.  Jahrhundert
beteiligen. Es soll ein langfristiger Prozeß der Gleichstellung  der
Infrastruktur der Autonomen Atlantikregionen mit der des Pazifik  beginnen.
Zehn Prozent des Budgets sind zukünftig für die Gemeinden gedacht.  Man will
den Verbrauch an Naturreichtümern einschränken. Produzenten, die aus  CAFTA
austreten wollen, werden Möglichkeiten des Zutritte zu ALBA,  dem
alternativen Markt der Länder Südamerikas und der Karibik,  angeboten.

Die unterlegenen Kandidaten der liberalen Parteien  gratulierten Daniel
Ortega zum Wahlsieg. Dieser nannte den Auftritt  Montealegres "würdevoll und
tapfer". Ortega wies darauf hin, daß seine  Politik auf Versöhnung und
Frieden orientiere. Er sagte: „Wir haben noch  einmal die Chance, Nicaragua
zu regieren, dieses Mal in Frieden und Ruhe. Wir  glauben, daß die
Bedingungen in Nicaragua günstig sind, um eine neue  politische Kultur zu
praktizieren. Wir alle müssen zusammenarbeiten für unser  einiges Nicaragua.
Unsere große Aufgabe wird sein, unser Volk aus der Armut  zu befreien.“

Die FSLN und ihre Bündnispartner haben keinen einfachen Weg  vor sich.
Zunächst muß es gelingen,  die Mehrheit in der  Nationalversammlung zu
finden. Dazu benötigen sie 56 Stimmen. Sie haben aber  nur 37 Sitze (vorher
38). Die MRS, die mit 6 Abgeordneten vertreten sein  wird, hat bereits
jegliche Zusammenarbeit ausgeschlossen. Von der ALN, die 27  Sitze besetzt,
wird man wenig erwarten können. Bleibt die PLC, die der größte  Verlierer der
Wahlen war und nur noch 22 Abgeordnete statt vorher 53 hat. Der  „berüchtigte
Pakt“ zwischen Ortega und Alemán, der in Wirklichkeit ein  Vertrag zwischen
FSLN und PLC ist, kann neue Bedeutung erlangen. Und es wird  die Zeit kommen,
in der nicht mehr vom „Pakt“, sondern von einem vernünftigen  Vertrag
gesprochen werden wird.

Die innere Reaktion und vor allem die  USA-Administration werden dem neuen
Präsidenten und seiner Regierung das  Leben schwer machen. Die Sandinisten
beschreiten mit dem Projekt Unida  Nicaragua Triunfa Neuland. Sie können sich
der Solidarität des revolutionären  Lateinamerika sicher sein, das wiederum
einen erfahrenen Partner  zurückbekommen hat.

Wir schließen uns der Solidarität an: Salud  Comandante, saludos!


* Der Autor war von 1985 bis 88 Berater bei der  FSLN. Er ist der Koordinator
des Freundeskreises Nicaragua Libre und lebt in  Dreesch (ein Ortsteil von
17291 Grünow) . Mehr Informationen unter  www.nicaragua-libre.info


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