Re: [OPE-L] Keynes and Marx (German)

From: Paul Cockshott (wpc@DCS.GLA.AC.UK)
Date: Sun Dec 31 2006 - 05:47:33 EST


A downloadable video file of the original talk on which the paper I just sent was based is at:


http://www.dcs.gla.ac.uk/~wpc/lux.avi


Paul Cockshott

www.dcs.gla.ac.uk/~wpc



-----Original Message-----
From: OPE-L on behalf of Paul Cockshott
Sent: Sun 12/31/2006 10:43 AM
To: OPE-L@SUS.CSUCHICO.EDU
Subject: Re: [OPE-L] Keynes and Marx (German)
 
Here is a contribution to the debate on keynesianism vs marxism on the german left that Allin and I have done.
It is to appear in a collection edited by Hans Modrow in the new year.

It bears on some of the topics that I raised in my last letter in response to Dogan.

Paul Cockshott

www.dcs.gla.ac.uk/~wpc



-----Original Message-----
From: OPE-L on behalf of Dogan Goecmen
Sent: Sat 12/30/2006 9:50 PM
To: OPE-L@SUS.CSUCHICO.EDU
Subject: Re: [OPE-L] Keynes and Marx (German)
 
 
Paul, thank you for your comments. Well, that is what I am saying. Keynes  
wants to criticise classical political economy. But he does not do that because  
he does not really engage with classics. In the article I suggest that 
Keynes'  economic theory is as formal as all other vulgar economic theories. 
Classical  politial economy, by contrast, is material theory of political  economy.
 
Dogan
 
In einer eMail vom 30.12.2006 22:36:19 Westeuropäische Normalzeit schreibt  
wpc@DCS.GLA.AC.UK:

 
This analysis rests  at the level of intentionality - what was Keynes 
intention, it does not get to  the internal structure of Keynes theory and identify 
where it is different  from neoclassical or classical political economy. I 
agree that Keynes was very  sloppy in his treatment of the classicals, but I 
suspect that he understood  them through Marshall rather than on their own  
account. 
 
  
____________________________________
 
From:  OPE-L [mailto:OPE-L@SUS.CSUCHICO.EDU] On Behalf Of Dogan Goecmen
Sent: 29 December 2006 15:33
To: OPE-L@SUS.CSUCHICO.EDU
Subject: [OPE-L] Keynes and Marx  (German)
 
A short paper of  mine on the relationship of Keynes and Marx. 
Cheers 
Dogan 
Dogan  Göcmen 
Keynes und  Marx 
Das Wesen und  Verhältnis zweier Theorien 
Der Marxismus ist mit Abstand die  einzige Theorie in der Ideengesichte, die 
seit ihrer Geburtsstunde zum  Gegenstand der schmutzigsten Behandlungen wurde. 
Was hat da Marx aus der Taufe  gehoben, dass selbst seine Erzfeinde es nicht 
mehr lassen können?   
Es ist wohl eine Ironie der Geschichte,  dass seine Theorie ausgerechnet in 
seinem Land der Denker und Dichter,  totgeschwiegen wurde, so dass Marx, seine 
treue Lebensgefährtin und Engels  selbst zu Feder greifen und Briefe an alle 
Bekannten, Freunde und an die  Redaktionen der Gazetten schreiben mussten: Der 
lang ersehnte erste Band des  "Kapital" ist endlich erschienen. 
Als die Theorie sich ihre eigenen Kanäle  schuf und eine gesellschaftlich 
materielle Kraft wurde, da half das  Totschweigen nicht mehr. Dieses Mal griffen 
die Gegner zur Feder, um die  Theorie, die seit etwa 1890er Jahren nach Engels'
 Prägung des Begriffs  "Marxismus" genannt wird, frontal anzugreifen, gerade 
als der Geburthelfer der  Theorie sich nicht mehr selber wehren konnte. Als 
das auch nicht mehr half,  musste man ihre Gegentheorien entgegenstellen. Dabei 
war ihnen jedes Mittel  recht. Sie arbeiteten mit ähnlichen, ja oft mit 
denselben, aber mit Sinn  entleerten und demagogisch bestimmten, Begriffen. Vom 
Geiste waren sie aber  alle Erzfeinde des Marxismus. Die Webersche 
Gesellschaftstheorie und die  Heideggersche Philosophie zählen zu dieser Sorte der  
Kopfgeburten. 
Der Keynesianismus, der ein englisches  Produkt ist, ist auch in diese 
Tradition einzuordnen und sein Verhältnis zum  Marxismus ist im Lichte dieser 
Entwicklung zu sehen. Seinerzeit musste schon  der zynische liberale John Stuart 
Mill, der zuerst die in England  geboren Idee des Sozialismus, zum Fremdkörper 
erklärte, musste unter dem Druck  der Straße, ohne seinen eklektisch liberalen 
Geist aufzugeben, an Marxismus  Zugeständnisse machen. Doch nach der 
Oktoberrevolution half all das nicht  mehr. Da musste eine konservative Theorie mit 
einem linken ,Anschein' erfunden  werden. In der Wirtschaftstheorie entspricht 
der Keynesianismus diesem  Bedürfnis. 
Keynes' Programm zur  Kritik der klassischen politischen Ökonomie 
Keynes' Hauptwerk ist die Allgemeine Theorie der Beschäftigung, des Zinses  
und des Geldes (Duncker & Humbolt, 1994; Zitate in Klammern),  das er der 
klassischen politischen Ökonomie entgegenstellen will. Er will also  wie Marx die 
klassische politische Ökonomie kritisieren. Insofern ist sein  Hauptwerk auch 
ein Antiprogramm gegen die Marxsche Kritik. Er gibt das offen  zu. Er schreibt 
nämlich, dass er "die Theorie von Ricardo - Marx widerlegen"  möchte. (H. 
Meißner, Bürgerliche Ökonomie ohne Perspektive, 1976, 124)   
Er weitet aber den von Marx geprägten  Begriff der klassischen politischen 
Ökonomie bis Unkenntlichkeit aus, dass  seine Auseinandersetzung nicht mehr mit 
den Klassikern, sondern eher mit ihrer  verzerrten Interpretationen 
stattfindet. Seine Kritik ist deshalb zugleich  eine Zurechtbiegung der Vulgärökonomie. 
Wer in diesem Antiprogramm gegen  Marxsche Kritik von Keynes aufgezeigt haben 
möchte, wo sie geirrt hat, muss  enttäuscht werden. In dem ganzen Buch wird 
Marx nur drei Mal erwähnt, auf Adam  Smith gibt es einige unbedeutende Hinweise. 
Nur Ricardo wird am  ausführlichsten diskutiert, die allerdings nicht 
Diskussion genannt werden  kann. Man darf in diesem Werk auch keine 
Auseinandersetzung mit klassischen  Begriffen wie Arbeit, Arbeitswertlehre (obwohl er sich doch 
mit der  Arbeitslosigkeit auseinandersetzen möchte), Ware, Wert, Mehrwert  
erwarten. 
Keynes genießt ein gewisses Ansehen,  weil er die neoliberale 
Wirtschaftspolitik kritisiert. Doch was ihn mit  Neoliberalen und allen anderen 
Vulgärökonomen verbindet und von den Klassikern  unterscheidet, ist sein formaler Ansatz. 
Die Klassiker und ebenso Marx als  deren Kritiker bedienen sich einem 
materiellen Ansatz. Bei diesem geht es um  die Vermittlung zwischen dem Wesen und den 
Erscheinungsformen, während bei  jenem sich nur um Erscheinungsformen handelt. 
Dies erklärt auch, warum er den  klassischen Begriff der Arbeit, wo es um die 
Vermittlung zwischen dem Wesen  und den Erscheinungsformen der Arbeit geht, 
durch einen vorklassischen  Begriff, wo es die Arbeit nicht gibt, sondern nur 
verschiedene Arbeiten,  ersetzen möchte. 
Keynes' eigene  Ortsbestimmung 
Trotz vieler "Linken", die Hoffnungen in  Keynes hegen, bestimmt er seinen 
Standort klar: "Wie kann ich ein Bekenntnis  annehmen [den Marxismus], das ... 
das klobige Proletariat über Bürgertum und  Intelligentia emporsteigert, die 
trotz aller Fehler doch die Werte des Lebens  darstellen und wahrhaftig die 
Saat aller menschlichen Vervollkommnung  enthalten?" (Meißner, 124) Deshalb sagt 
er: "Wenn es als solche zum Klassenkampf kommt, ... der Klassenkrieg wird mich 
auf der Seite der  gebildeten Bourgeoisie finden".  (I. Mészáros, The Power 
of Ideology, Zed Books 2005, xi) Diese Aussagen  sprechen für sich. 
Unverständlich ist nur, warum manche "Linke" aus einem, der  sich offen zum 
Klassengegner erklärt, Bündnispartner machen  wollen. 
Das  wirtschaftpolitische Ziel des Keynesianismus 
Der Keynesianismus rühmt sich damit, dem  Problem der Arbeitslosigkeit eine 
Lösung gefunden zu haben. Was ist die  Grundfehler der kapitalistischen 
Gesellschaft? Keynes: "Die hervorstechenden  Fehler der wirtschaftlichen 
Gesellschaft, in der wir leben, sind ihr Versagen,  für Vollbeschäftigung Vorkehrung zu 
treffen und ihre willkürliche und  unbillige Verteilung des Reichtums und der 
Einkommen." (314)   
Wie weit möchte Keynes in der Bekämpfung  der "willkürliche[n] und 
unbillige[n] Verteilung des Reichtums" gehen? Keynes:  "Ich selber glaube, daß 
bedeutsame Ungleichheiten von Einkommen und Reichtum  gesellschaftlich und 
psychologisch gerechtfertigt sind, aber nicht so große  Ungleichheiten, wie sie heute 
bestehen." (315) 
Keynes möchte durch eine richtige  Analyse die Krankheit Arbeitslosigkeit 
heilen. Wie? "Ich sehe keinen Grund  anzunehmen, daß das bestehende System die in 
Gebrauch befindliche  Erzeugungsfaktoren [er möchte wohl "Produktivkräfte" 
sagen, - DG] ernstlich  fehlbeschäftigt." (320) Wenn es Arbeitslose gibt, dann 
muss man für sie eine  Beschäftigung schaffen. Die Existenz der 
Arbeitslosigkeit an sich beweist aber  nicht, dass die "Richtung der tatsächlichen 
Beschäftigung" falsch ist, wie  etwa Marx sagen würde, sondern die "Bestimmung der 
Menge". (320) Man muss aber  für die Arbeitslosen unbedingt eine Beschäftigung 
finden. Sonst: "Es ist  sicher, daß die Welt die Arbeitslosigkeit, die, von 
kurzen Zeiträumen der  Belebung abgesehen - nach meiner Ansicht unvermeidlich - 
mit dem heutigen  kapitalistischen Individualismus verbunden ist, nicht viel 
länger dulden  wird." (321) Keynes will also nicht die Lohnarbeit abschaffen, 
wie Marx es  einfordert, sondern den "klobigen" Arbeitslosen eine wie auch 
immer geartete  Beschäftigung geben, sonst bestehe die Gefahr, dass sie sich in 
Revolutionäre  verwandeln. 
Keynes kritisiert die neoliberale  Wirtschaftstheorie. Das ist soweit 
richtig. Diese Kritik ist aber einzig und  allein von der Sorge getragen, dass dies 
zum Zusammenbruch des Systems führen  könnte. Er schlägt er eine 
Wirtschaftspolitik vor, die er"... als das einzige  durchführbare Mittel, [um] die 
Zerstörung der bestehenden wirtschaftlichen  Formen in ihrer Gesamtheit zu vermeiden....
" (321) Diese Sorge wird heute vom  konservativen Norbert Blüm genauso 
geteilt wie vom selbsternannten Sozialisten  Gregor Gysi. Blüm sagt: Die 
Wirtschaftspolitik der Regierung wird das System  zum Zusammenbruch führen. Gysi sag: Die 
Widersprüche des Kapitalismus  verschärfen sich und auch die Kritik am 
Kapitalismus muss schärfer werden.  Aber das darf nicht zur Rechtfertigung der DDR 
führen und meint damit den  Sozialismus. Also der konservativen Losung folgend 
alles ändern, damit es beim  Alten bleibt. 
Heinz Jung hat vor mehr als zehn Jahren  davor gewarnt, dass der 
Neokeynesianismus als Staatspolitik zur Stabilisierung  des Systems wiederkehren könnte. 
Die Linke darf also dem Keynesianismus nicht  zur Wiedergeburt verhelfen, 
sondern muss sein Geist neben Neoliberalismus auch  gegen alle Formen des 
Keynesianismus schärfen. Nicht umsonst hat Lenin Keynes  als "eingefleischter Gegner 
des Bolschewismus" genannt. (LW 31,  207)




 


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