[OPE-L] socialism insteadt of barbarism (german)

From: Dogan Goecmen (dogangoecmen@AOL.COM)
Date: Sat Nov 03 2007 - 11:08:15 EDT


Sozialismus statt Untergang in der Barbarei



 



Doğan Göçmen



 



Marxens Unterscheidung zwischen „Basis“ und „Überbau“ ist
viel diskutiert worden. Unter Basis versteht er die Gesamtheit der
Produktionsverhältnisse, die die ökonomische Struktur der Gesellschaft bilden. Über
diese erhebt sich dann ein ideologischer Überbau, der bestimmten
gesellschaftlichen Bewusstseinsformen entsprechen. Diese Unterscheidung ist von
der bürgerlichen Intelligenz schon immer unter dem Vorwand, Marx gehe hier zu
einseitig vor, attackiert worden. Dem Marx also, der als Dialektiker die
gesellschaftlichen und politischen Strukturen der Gesellschaft in ihrer Gesamtheit,
in ihren Verhältnissen, in ihrer ganzen Widersprüchlichkeit, Wirkungen und Rückwirkungen
zueinander, erfassen will, wurde vorgeworfen, er sei nicht dialektisch genug.
Das Merkwürdige dabei ist, dass dieser Vorwurf gerade von der bürgerlichen Intelligenz
kommt, - als wäre sie Dialektikerin -, die doch die Dialektik mit allen Mitteln
bekämpft.



 



Geschichte und soziale
Revolutionen



 



Kommunisten sind erbarmungslose Kritiker. Aber noch
erbarmungsloser sind sie in der Selbstkritik. Engels selbst hat mehrmals darauf
hingewiesen, dass er und Marx, um gegen die vor allem in Deutschland vorherrschende
idealistische Philosophie und voluntaristische Politik den materialistischen
Charakter ihrer Philosophie und die Notwendigkeit einer auf objektiven Gesetzen
der Gesellschaft gegründeten Politik zu betonen, die Wirkung der Basis auf den
Überbau besonders betont, aber die Rückwirkung des Überbaus auf die Basis nicht
genügend beachtet haben. Er hat aber die Grundaussage Marxens nicht revidiert. Worum
geht bei dieser Unterscheidung?



Marx geht es bei dieser Unterscheidung um nicht geringer als
die Beantwortung der Frage, wie und warum in der Geschichte Entwicklung gibt. Marx
sagt: „Auf einer gewissen Stufe ihrer Entwicklung geraten die materiellen
Produktivkräfte der Gesellschaft in Widerspruch mit den vorhandenen
Produktionsverhältnissen oder, was nur ein juristischer Ausdruck dafür ist, mit
den Eigentumsverhältnissen, innerhalb deren sie sich bisher bewegt hatten. Aus
Entwicklungsformen der Produktivkräfte schlagen diese Verhältnisse in Fesseln
derselben um. Es tritt dann eine EPOCHE sozialer
Revolution ein.“ (MEW 13, 9; meine Hervorh.)




 



Die Entwicklung der Produktivkräfte stellt die materielle Grundlage
für die Entwicklung der Gesellschaft. Marx sagt nun, dass auf einer bestimmten
Entwicklungsstufe die Eigentumsverhältnisse in Widerspruch zu der
Weiterentwicklung der Produktivkräfte geraten. Er fügt dann hinzu, dass dieser
Konflikt sich auch in den „juristischen, politischen, religiösen,
künstlerischen oder philosophischen, kurz, ideologischen Formen“ ausdrückt. Die
Verhinderung der Weiterentwicklung der Produktivkräfte kommt also einer Verhinderung der Weiterentwicklung der ganzen
Gesellschaft gleich. Deshalb findet zwischen den konservativen und progressiven
Kräften auf allen gesellschaftlichen Feldern ein totaler Kampf um Tod und Leben
für einen qualitativen Sprung in der Weiterentwicklung der Gesellschaft statt -
der eben eine ganze „Epoche“ von Schlachten, Niederlagen und Siegen dauern
kann.



 



Rosa Luxemburgs revolutionäre
Deutung



 



Viele Linke, unter ihnen auch „Modernisten“ in unserer Partei,
haben die bürgerliche Kritik an der Aussage von Marx unhinterfragt übernommen. Schon
Rosa Luxemburg sah sich veranlasst, die Klärung des Sachverhalts aus
marxistischer Sicht vorzunehmen. Was bedeutet hier der Widerspruch zwischen den
Produktivkräften und Produktionsverhältnissen. Nachdem Luxemburg in ihrer „Einführung
in die Nationalökonomie“ die Bedingungen dargestellt hat, dass die
kapitalistische Produktion nur durch die weltweit fortschreitende Trennung der
Produzenten von ihren Produktionsmitteln möglich ist, klärt sie die Frage, was
die kapitalistische Gesellschaft unmöglich, d. h. die revolutionäre Überwindung
notwendig macht. 



 



Sie sagt: „Dazu brauchen wir die eigenen inneren Gesetze der
Kapitalherrschaft nur in ihrer Weiterwirkung zu verfolgen. Sie sind es selbst,
die sich auf einer gewissen Höhe der Entwicklung gegen alle die
Grundbedingungen kehren, ohne die die menschliche Gesellschaft nicht bestehen
kann.“ (GW 5, 772) Was Marx Produktivkräfte nennt, umschreibt Luxemburg hier mit
„Grundbedingungen“ der „menschlichen Gesellschaft“: Die „Entwicklung der
Produktivität der menschlichen Arbeit“ ist „die Grundlage des ganzen
Kulturfortschritts“ oder „der Existenz jeder menschlichen Gesellschaft“. (Ebenda,
771) Diese Umschreibung Luxemburgs, dass auf einer bestimmten Entwicklungsstufe
der Produktivkräfte die Produktionsverhältnisse in Fesseln umschlagen und so
die Weiterentwicklung der Gesellschaft verhindern, bringt uns zu viel aktuelleren
Problemen.



 



Kapitalismus frisst
die Grundlagen der menschlichen Existenz



 



In allen Lebensbereichen greift die kapitalistische Produktionsweise
die Grundlagen der menschlichen Existenz. Allein die Tatsache, dass wir jeden
Tag mit der Gefahr des Atomtods ins Bett gehen und aufstehen müssen, ist Grund genug
zu erkennen, dass eine friedliche menschlichen Existenz unter kapitalistischen
Verhältnissen nicht möglich ist. Doch nur zwei weitere aktuelle Themenkomplexe zur
Verdeutlichung.



 



Erstens: Gerade in ökologischen Fragen wird viel Heuchelei
betrieben. Immerhin hat die Diskussion der letzten Jahre über den Klimawandel die
Erkenntnis zu Tage gefördert, dass viele der ökologischen Probleme, mit denen
die Menschheit gegenwärtig konfrontiert sind, auf menschliche Ursachen
zurückzuführen sind. Die bürgerlichen Wissenschaftler und Politiker führen den
Grundübel auf das Konsumverhalten der Menschen zurück, so z. B. auf das
Autofahren usw. anstatt auf die Tatsache, dass auf Kosten der öffentlichen
Verkehrsmittel Autos produziert und ständig Straßen- und Autobahnnetze ausgebaut
werden. Aber wie bereits Marx und Engels gezeigt haben, erfordert auch ein
Leben im Einklang mit der Natur, dass das Grundverständnis, mit der die Natur angeeignet
wird, grundsätzlich verändert werden muss. Dies bedeutet, dass die Natur nicht
mehr als Quelle zur Produktion von Waren und Profit, sondern von Gütern zur
Befriedigung von Bedürfnissen betrachtet werden muss. Auch die
Lebensmittelskandale der letzten Jahre haben gezeigt, dass deren Ursache letztlich
auf das Prinzip Konkurrenz zurückzuführen sind, das die Grundlage der
kapitalistischen Produktion ist.



 



Zweitens: Die Produktivkraftentwicklung hat viele Vorzüge mit
sich gebracht, die sich im Kapitalismus in ihren Gegenteil verkehren. So z. B.
dank der Entwicklung auf dem Gebiet der Medizin können Menschen heute viele
länger leben. Doch aus der Sicht der kapitalistischen Produktion wird das als eine
Last empfunden, was sich in der Diskussion über das Rentenalter zeigt. In einer
ständig reicher werdenden Gesellschaft müsste sich die Gesundheitsversorgung
immer verbessern. Doch was im Rahmen der Gesundheitsreform umgesetzt wird,
bringt genau das Gegenteil mit sich. Durch die Steigerung der Produktivität
können viele Produkte heute in viel kürzeren Zeiteinheiten produziert werden.
Dies müsste in einer vernünftig organisierten Gesellschaft zur Verkürzung der
Arbeitszeit und Verlängerung der Freizeit führen. Doch unter kapitalistischen
Bedingungen wird die Produktivkraftentwicklung zur Last, weil sie nämlich zur
Verlängerung der Arbeitszeit und Erhöhung der Arbeitslosenzahl führt.



 



Diesen Sachverhalt hat Marx als Ausdruck des Widerspruchs
zwischen der Entwicklung der Produktivkräfte und der herrschenden
Produktionsverhältnissen beschrieben. Und Rosa Luxemburg hat dargelegt, dass
unter den Bedingungen der kapitalistischen Produktionsweise dieser Widerspruch
sich permanent verschärfen wird. Wer sich vom Kapitalismus noch die Lösung der
offensichtlichen Grundprobleme der Menschheit erhofft, der leidet unter einer
großen Illusion. Die Oktoberrevolution hat die Epoche zur Überwindung des
Kapitalismus fortgesetzt, die die Pariser Kommune mit der Revolution von 1871
eröffnet hatte. Der Menschheit bleibt für die Rettung der Existenzgrundlagen des
gesellschaftlichen Lebens nicht mehr viel Zeit. Denn die Gefahr des Untergangs
in der kapitalistischen Barbarei ist heute mehr unmittelbarer denn je. Sie kann
ihr Geschick noch umkehren. Doch dazu müsste sie mit allen Mitteln das Werk
vollenden, das von Pariser Kommunarden angefangen und Bolschewiki fortgesetzt wurde.



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