[OPE-L] Keynes and Marx (German)

From: Dogan Goecmen (Dogangoecmen@AOL.COM)
Date: Fri Dec 29 2006 - 10:33:17 EST


 
A short paper of mine on the relationship of Keynes and  Marx. 
Cheers 
Dogan 
Dogan  Göcmen 
Keynes und  Marx 
Das Wesen  und Verhältnis zweier Theorien 
Der Marxismus  ist mit Abstand die einzige Theorie in der Ideengesichte, die 
seit ihrer  Geburtsstunde zum Gegenstand der schmutzigsten Behandlungen wurde. 
Was hat da  Marx aus der Taufe gehoben, dass selbst seine Erzfeinde es nicht 
mehr lassen  können?  
Es ist wohl  eine Ironie der Geschichte, dass seine Theorie ausgerechnet in 
seinem Land der  Denker und Dichter, totgeschwiegen wurde, so dass Marx, seine 
treue  Lebensgefährtin und Engels selbst zu Feder greifen und Briefe an alle 
Bekannten,  Freunde und an die Redaktionen der Gazetten schreiben mussten: Der 
lang ersehnte  erste Band des „Kapital“ ist endlich erschienen. 
Als die  Theorie sich ihre eigenen Kanäle schuf und eine gesellschaftlich 
materielle  Kraft wurde, da half das Totschweigen nicht mehr. Dieses Mal griffen 
die Gegner  zur Feder, um die Theorie, die seit etwa 1890er Jahren nach Engels’
 Prägung des  Begriffs „Marxismus“ genannt wird, frontal anzugreifen, gerade 
als der  Geburthelfer der Theorie sich nicht mehr selber wehren konnte. Als 
das auch  nicht mehr half, musste man ihre Gegentheorien entgegenstellen. Dabei 
war ihnen  jedes Mittel recht. Sie arbeiteten mit ähnlichen, ja oft mit 
denselben, aber mit  Sinn entleerten und demagogisch bestimmten, Begriffen. Vom 
Geiste waren sie aber  alle Erzfeinde des Marxismus. Die Webersche 
Gesellschaftstheorie und die  Heideggersche Philosophie zählen zu dieser Sorte der  
Kopfgeburten. 
Der  Keynesianismus, der ein englisches Produkt ist, ist auch in diese 
Tradition  einzuordnen und sein Verhältnis zum Marxismus ist im Lichte dieser 
Entwicklung  zu sehen. Seinerzeit musste schon der zynische liberale John Stuart 
Mill, der  zuerst die in England geboren Idee des Sozialismus, zum Fremdkörper 
erklärte,  musste unter dem Druck der Straße, ohne seinen eklektisch liberalen 
Geist  aufzugeben, an Marxismus Zugeständnisse machen. Doch nach der 
Oktoberrevolution  half all das nicht mehr. Da musste eine konservative Theorie mit 
einem linken  ‚Anschein’ erfunden werden. In der Wirtschaftstheorie entspricht 
der  Keynesianismus diesem Bedürfnis. 
Keynes’  Programm zur Kritik der klassischen politischen  Ökonomie 
Keynes’  Hauptwerk ist die Allgemeine Theorie der Beschäftigung, des Zinses 
und des  Geldes (Duncker & Humbolt, 1994; Zitate in Klammern), das er der  
klassischen politischen Ökonomie entgegenstellen will. Er will also wie Marx die  
klassische politische Ökonomie kritisieren. Insofern ist sein Hauptwerk auch 
ein  Antiprogramm gegen die Marxsche Kritik. Er gibt das offen zu. Er schreibt  
nämlich, dass er „die Theorie von Ricardo – Marx widerlegen“ möchte. (H.  
Meißner, Bürgerliche Ökonomie ohne Perspektive, 1976, 124)   
Er weitet aber  den von Marx geprägten Begriff der klassischen politischen 
Ökonomie bis  Unkenntlichkeit aus, dass seine Auseinandersetzung nicht mehr mit 
den  Klassikern, sondern eher mit ihrer verzerrten Interpretationen 
stattfindet.  Seine Kritik ist deshalb zugleich eine Zurechtbiegung der Vulgärökonomie. 
Wer in  diesem Antiprogramm gegen Marxsche Kritik von Keynes aufgezeigt haben 
möchte, wo  sie geirrt hat, muss enttäuscht werden. In dem ganzen Buch wird 
Marx nur drei  Mal erwähnt, auf Adam Smith gibt es einige unbedeutende Hinweise. 
Nur Ricardo  wird am ausführlichsten diskutiert, die allerdings nicht 
Diskussion genannt  werden kann. Man darf in diesem Werk auch keine 
Auseinandersetzung mit  klassischen Begriffen wie Arbeit, Arbeitswertlehre (obwohl er sich doch 
mit der  Arbeitslosigkeit auseinandersetzen möchte), Ware, Wert, Mehrwert  
erwarten. 
Keynes genießt  ein gewisses Ansehen, weil er die neoliberale 
Wirtschaftspolitik kritisiert.  Doch was ihn mit Neoliberalen und allen anderen 
Vulgärökonomen verbindet und von  den Klassikern unterscheidet, ist sein formaler Ansatz. 
Die Klassiker und ebenso  Marx als deren Kritiker bedienen sich einem 
materiellen Ansatz. Bei diesem geht  es um die Vermittlung zwischen dem Wesen und den 
Erscheinungsformen, während bei  jenem sich nur um Erscheinungsformen handelt. 
Dies erklärt auch, warum er den  klassischen Begriff der Arbeit, wo es um die 
Vermittlung zwischen dem Wesen und  den Erscheinungsformen der Arbeit geht, 
durch einen vorklassischen Begriff, wo  es die Arbeit nicht gibt, sondern nur 
verschiedene Arbeiten, ersetzen  möchte. 
Keynes’ eigene  Ortsbestimmung 
Trotz vieler  „Linken“, die Hoffnungen in Keynes hegen, bestimmt er seinen 
Standort klar: „Wie  kann ich ein Bekenntnis annehmen [den Marxismus], das ... 
das klobige  Proletariat über Bürgertum und Intelligentia emporsteigert, die 
trotz aller  Fehler doch die Werte des Lebens darstellen und wahrhaftig die 
Saat aller  menschlichen Vervollkommnung enthalten?“ (Meißner, 124) Deshalb sagt 
er: „Wenn  es als solche zum Klassenkampf kommt, ... der Klassenkrieg wird  
mich auf der Seite der gebildeten Bourgeoisie finden“. (I. Mészáros, The  Power 
of Ideology, Zed Books 2005, xi) Diese Aussagen sprechen für sich.  
Unverständlich ist nur, warum manche „Linke“ aus einem, der sich offen zum  
Klassengegner erklärt, Bündnispartner machen  wollen. 
Das wirtschaftpolitische Ziel des  Keynesianismus 
Der  Keynesianismus rühmt sich damit, dem Problem der Arbeitslosigkeit eine 
Lösung  gefunden zu haben. Was ist die Grundfehler der kapitalistischen 
Gesellschaft?  Keynes: „Die hervorstechenden Fehler der wirtschaftlichen 
Gesellschaft, in der  wir leben, sind ihr Versagen, für Vollbeschäftigung Vorkehrung zu 
treffen und  ihre willkürliche und unbillige Verteilung des Reichtums und der 
Einkommen.“  (314)  
Wie weit  möchte Keynes in der Bekämpfung der „willkürliche[n] und 
unbillige[n] Verteilung  des Reichtums“ gehen? Keynes: „Ich selber glaube, daß 
bedeutsame Ungleichheiten  von Einkommen und Reichtum gesellschaftlich und 
psychologisch gerechtfertigt  sind, aber nicht so große Ungleichheiten, wie sie heute 
bestehen.“  (315) 
Keynes möchte  durch eine richtige Analyse die Krankheit Arbeitslosigkeit 
heilen. Wie? „Ich  sehe keinen Grund anzunehmen, daß das bestehende System die in 
Gebrauch  befindliche Erzeugungsfaktoren [er möchte wohl „Produktivkräfte“ 
sagen, - DG]  ernstlich fehlbeschäftigt.“ (320) Wenn es Arbeitslose gibt, dann 
muss man für  sie eine Beschäftigung schaffen. Die Existenz der 
Arbeitslosigkeit an sich  beweist aber nicht, dass die „Richtung der tatsächlichen 
Beschäftigung“ falsch  ist, wie etwa Marx sagen würde, sondern die „Bestimmung der 
Menge“. (320) Man  muss aber für die Arbeitslosen unbedingt eine Beschäftigung 
finden. Sonst: „Es  ist sicher, daß die Welt die Arbeitslosigkeit, die, von 
kurzen Zeiträumen der  Belebung abgesehen – nach meiner Ansicht unvermeidlich – 
mit dem heutigen  kapitalistischen Individualismus verbunden ist, nicht viel 
länger dulden wird.“  (321) Keynes will also nicht die Lohnarbeit abschaffen, 
wie Marx es einfordert,  sondern den „klobigen“ Arbeitslosen eine wie auch 
immer geartete Beschäftigung  geben, sonst bestehe die Gefahr, dass sie sich in 
Revolutionäre  verwandeln. 
Keynes  kritisiert die neoliberale Wirtschaftstheorie. Das ist soweit 
richtig. Diese  Kritik ist aber einzig und allein von der Sorge getragen, dass dies 
zum  Zusammenbruch des Systems führen könnte. Er schlägt er eine 
Wirtschaftspolitik  vor, die er„... als das einzige durchführbare Mittel, [um] die 
Zerstörung der  bestehenden wirtschaftlichen Formen in ihrer Gesamtheit zu vermeiden....
“ (321)  Diese Sorge wird heute vom konservativen Norbert Blüm genauso 
geteilt wie vom  selbsternannten Sozialisten Gregor Gysi. Blüm sagt: Die 
Wirtschaftspolitik der  Regierung wird das System zum Zusammenbruch führen. Gysi sag: Die 
Widersprüche  des Kapitalismus verschärfen sich und auch die Kritik am 
Kapitalismus muss  schärfer werden. Aber das darf nicht zur Rechtfertigung der DDR 
führen und meint  damit den Sozialismus. Also der konservativen Losung folgend 
alles ändern, damit  es beim Alten bleibt. 
Heinz Jung hat  vor mehr als zehn Jahren davor gewarnt, dass der 
Neokeynesianismus als  Staatspolitik zur Stabilisierung des Systems wiederkehren könnte. 
Die Linke darf  also dem Keynesianismus nicht zur Wiedergeburt verhelfen, 
sondern muss sein  Geist neben Neoliberalismus auch gegen alle Formen des 
Keynesianismus schärfen.  Nicht umsonst hat Lenin Keynes als „eingefleischter Gegner 
des Bolschewismus“  genannt. (LW 31, 207)


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